Für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg spielen drei Überlegungen in Europa eine wichtige Rolle: Erstens soll mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau so schnell wie möglich begonnen werden. Zweitens soll die Sicherheit Europas in Anbetracht der wachsenden Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion garantiert werden. Drittens sollen nationalistische Strömungen, die bereits zu zwei Weltkriegen beigetragen haben, verhindert werden. Ein erster bedeutender Schritt, um diese Ziele zu erreichen, ist die Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951. Sechs europäische Staaten (Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg) beginnen unter der Führung der neuen Organisation, ihre Produktionen in der Kohl- und Stahlindustrie zu koordinieren. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) hat dabei auch einen überstaatlichen Charakter - das heißt, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten Rechte an die Organisation abgeben. Diese wirtschaftlichen Verflechtungen bringen eine gewisse Abhängigkeit zwischen den Ländern. Das stärkt einerseits den Zusammenhalt. Andererseits wird durch die Zusammenarbeit in der Industrie der Wiederaufbau beschleunigt.
Europa - Die politische Geschichte eines Kontinents
Zum Ende des zweiten Weltkriegs liegt Europa in Ruinen. Mit einem brutalen Angriff auf die europäischen Nachbarn hatte Deutschland dem Kontinent Leid und millionenfachen Tod gebracht. Im Frühjahr 1945 wird das nationalsozialistische Deutschland endlich besiegt. Es ist der Beginn einer neuen politischen Ära.
Nachdem offensichtlich wurde, dass eine Zusammenarbeit in der Kohle- und Stahlindustrie möglich war, kam die Idee auf, auch in anderen Bereichen zu kooperieren. Daraufhin wird die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) im Rahmen der Römischen Verträge im Jahr 1958 gegründet. Zusammen mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bilden sie die Europäischen Gemeinschaften (EGen). Das ambitionierte Ziel, innerhalb von 12 Jahren einen Binnenmarkt (freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmern) zwischen den sechs Ländern zu errichten, wurde nicht erfüllt. Allerdings konnten unter anderem verschiedene Institutionen gebildet werden, die Zölle zwischen den Ländern gesenkt und einheitliche Zölle gegenüber anderen Staaten erhoben werden. Die positive wirtschaftliche Entwicklung der EWG war ein gutes Argument für andere Länder, der Organisation auch beizutreten. 1973 traten Großbritannien, Irland und Dänemark und sieben Jahre später Griechenland, Spanien und Portugal der Gemeinschaft bei. Somit verdoppelte sich die Anzahl der Mitgliedsstaaten innerhalb weniger Jahre. Fortan ging es vor allem darum, die europäische Integration, also einen engen europäischen Zusammenschluss, zu verbessern.
Beginnend mit den Römischen Verträgen 1957 und der Gründung der EWG 1958, wurde nach und nach ein Prozess in Gang gesetzt, der 1968 zur Schaffung einer Zollunion führte (das heißt, es gab keine Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten und einheitliche Zölle gegenüber anderen Ländern). Nach der Mitgliedserweiterung 1980 wurden jedoch wieder die ursprünglichen Ziele eines Binnenmarktes verfolgt. Die Einheitliche Europäische Akte (ein Vertrag), die 1987 in Kraft trat, sah die Beseitigung aller Hindernisse für einen Binnenmarkt vor. Bis 1993 sollten somit zum Beispiel alle Passkontrollen zwischen den Mitgliedsländern überflüssig werden. Fast zeitgleich taten sich bereits Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande zusammen, um Passkontrollen noch schneller abzuschaffen. Dieser Verbund ist heute als Schengen-Raum bekannt. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte wurden auch Barrieren im Bereich des Dienstleistungs-, des Kapital- und des Warenverkehrs abgeschafft. Zeitgleich wurden Vorbereitungen für die Einführung einer gemeinsamen Währung getroffen.
Auf dem Weg zur politischen Union?
Die weitere Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft muss in den 1990er Jahren im Zusammenhang mit einigen wichtigen globalen Ereignissen gesehen werden. 1989 fällt die Berliner Mauer, die bis zu diesem Zeitpunkt Deutschland getrennt hatte. Die Auflösung der Sowjetunion sowie der Krieg in Jugoslawien, an der Grenze zur EWG, sind weitere wichtige Faktoren, die die europäische Integration beeinflussten. Mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1993 entwickelte sich die Wirtschaftsgemeinschaft zu einer - zumindest teilweise - politischen Union, der Europäischen Union (EU). Zusammen mit vertraglichen Änderungen Ende der 1990er Jahre wurde die Einführung des Euros in einigen Ländern beschlossen sowie Plänen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zugestimmt. Zudem bekam die EU mehr politische Verantwortung in Themenbereichen wie beispielsweise Gesundheits- und Konsumentenschutz.
In den 2000er Jahren wurden viele osteuropäische Staaten Mitglieder der EU. Im Jahr 2004 traten allein zehn Länder der EU bei. Der Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009 stärkte nochmal die Position der EU-Institutionen. Das Europäische Parlament, welches direkt gewählt wird, hat beispielsweise deutlich an Bedeutung gewonnen. Seit der Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951 ist die europäische Integration – mal schneller und mal langsamer – vorangeschritten. Die ursprünglichen Ziele, Sicherheit und wirtschaftliches Wachstum zu schaffen, wurden erreicht. Auf dem Weg dorthin wurden neue Ziele formuliert, die insbesondere durch Veränderungen in den 1990er und 2000er Jahren erreicht werden sollten.
Die Zukunft der Europäischen Union
Seit Ende des zweiten Weltkrieges hat sich das Bild des europäischen Kontinents gänzlich verändert. Da wo sich 1945 noch Feinde gegenüberstanden, kann man heutzutage einfach Grenzen überqueren. Und meistens bemerkt man die Grenze, die man überquert, gar nicht mal. Man darf leben und arbeiten, wo man möchte. Die Krankenversicherungen gelten in jedem EU-Staat. In einigen Bereichen entscheidet die EU, welche Gesetze gemacht werden, und nicht die einzelnen Länder. In vielen Staaten kann man mit der gleichen Währung zahlen – dem Euro. All das wäre vor 70 Jahren kaum vorstellbar gewesen und ist heute Realität. Aber es gibt auch Probleme: Die Wirtschaftskrise in den 2000er Jahren hat gezeigt, dass die EU verwundbar ist. Auf diese und auf einige andere Probleme hat die EU aus Sicht vieler Bürger keine angemessenen Lösungen gefunden. In vielen Ländern gibt es heutzutage nationalistische Strömungen, die die EU schwächen möchten. Einige Länder spielen mit dem Gedanken, aus der EU auszutreten – der Brexit, also der Ausstieg Großbritanniens aus der EU – ist nur das konkreteste Beispiel.